Meine Erinnerungen an das “Strombad Elbe” in Magdeburg-Südost
Mein Onkel, Otto Wade, war der Besitzer der Badeanstalt und der Gastwirtschaft Flussbadeanstalt "Strombad Elbe". Soweit ich mich erinnere war die originale (schwimmende) Gaststätte mit der Badeanstalt Ende der 20er Jahren noch auf einen alten, umgebauten Elb-Schleppkahn. Von der Salbkerstraße musste man an dem alten Spritzenhaus vorbei entlang der Sülze (Sülzegraben?) und den Gärten (?? Klosterhof ??) zu den Elbwiesen laufen. Auf den Elbewiesen war auch noch der Sportplatz von Germania Salbke (Mein Cousin “Ernstchen” Ernst Wade war in diesen Verein sehr aktiv). Entlang der Elbe weideten auch öfters große Schafherden. Danach war auch die Schäferbuhne benannt worden. Die Buhne war sehr flach und sandig und die Schäfer benutzten sie als Tränke für ihre Schafe. Auch kamen viele Leute dorthin und besuchten die selbe Buhne als ein Freibad (trotz Badeverbot ). In späteren Jahren weideten dann auf den Elbwiesen auch noch Kühe.
In einer der Buhnen lag in den Sommermonaten die Badeanstalt vor Anker. Als kleiner Junge weiß ich noch das immer etwas Wasser in den Kahn leckte, das musste immer mit einer Schucke ( Schwengelpumpe) aus gepumpt werden. Ich hatte immer Angst das das Boot untergehen könnte. Zum Überwintern wurde die Badeanstalt in den Schönebecker Winterhafen geschleppt. Anfang der 30er Jahre wurde die Gaststätte und Badeanstalt völlig umgebaut. Der Alte Schleppkahn - Unterbau wurde durch einem eisernen Ponton ersetzt
Der Neubau verdoppelte die Größe der Gaststätte Auch wurde ein Klubhaus für den Segelklub (Salbke?) neu dazu gebaut, einschließlich einem Anlegedeck für die Boote. Das Schwimmbecken bestand aus drei Einteilungen. Das sogenannte Tiefe Bassin hatte ein 1 Meter hohes Sprungbrett und die zwei kleineren hatten einen eingebauten Holzboden für Nichtschwimmer. Eines der kleineren Bassins war nur ein Planschbecken für Kleinkinder. Alles war mit schwimmenden Laufstegen (meistens auf leere Ölfässer) umgeben bzw. abgegrenzt. Wenn die Wellen von den vorbei ziehenden Raddampfern Uferwärts kamen, da hat alles ganz schön geschaukelt.
Während den Sommermonaten gab es etliche Veranstaltungen, auch Elbfeste genannt. Unter anderen z.B. Motorbootrennen von Fermersleben Stromaufwärts bis zum Strombad Elbe. Mein Onkel hatte dann immer einen Handkahn in der Mitte der Elbe als Wendepunkt verankert. Ein sehr bekanntes Boot war anfangs der 30er Jahre Blitz 1 und Blitz 2, gesteuert von einem der Gebrüder Katte (Catte). Für die Dauer des Rennens wurde der gesamte Schiffsverkehr aufgehalten.
Bei den Angelfesten wurde viel (Anglerlatein) erzählt, ich weiß nur noch, das einmal ein Aal angebissen hatte und keiner konnte ihn festhalten.
Beim Sonntags-Frühschoppen oder an Skat-Turnieren ging es immer hoch her. Für mich als Junge war es immer ein Ereignis wenn die zweispännigen großen Bierwagen das Fass- und Kastenbier lieferten. Die Bierkutscher mussten wohl unheimliche Kräfte gehabt haben, so wie sie die Fässer auf- und abluden oder auf ihren Schultern durch die Gaststätte trugen. (Man erzählte immer so Bierkutscher-Geschichten, z.B. wenn sie mit der Tagesarbeit fertig waren. waren die Kutscher so müde, das sie auf den Kutschbock oft einschliefen und die Pferde, meistens schwere Belgier, zottelten selbst zurück in die Brauerei). Wenn ich mich richtig erinnere war ein Spruch über der Theke "Unsereiner trinkt Bodensteiner".
Für etliche Jahre war ein Herr Winkler der Bademeister, er verstand sich sehr gut mit uns Kindern. Auf einem Kinderschwimmfest, es muss wohl 1933/34 gewesen sein, kam eine Gruppe junge Männer zur Badeanstalt. Es stellte sich heraus, es waren die Goldmedaillen-Wasserballspieler der Olympiade von 1928 mit Erich “Ete” Rademacher, damals war er der Torwart der Mannschaft. Seit dem “Ete “1932 bei der Olympiade die Silbermedaille über 200 Meter Brustschwimmen gewann und kurz zuvor einen neuen Weltrekord aufgestellt hatte, war er für mich und uns Kinder, sowie für ganz Magdeburg ein großes Vorbild im Schwimmen und Magdeburg wurde bekannt als eine Schwimmer-Hochburg. Erich Rademacher gehörte zum “Hellas” in der Neuen Neustadt, wo auch ich als Neustädter oft zum Schwimmen hinging.
Ich schwimme noch heute drei mal in der Woche 1500Meter, aber immer schön langsam.
Als neunjähriger erinnere ich mich z. B. gab es Straßenmusikanten und Entertainer, die gingen von einer Straße zur anderen. Leute warfen dann in Papier eingewickeltes Geld aus den Fenstern. Wir lebten damals in einem 10-Familien Haus. Bettler gingen von Tür zur Tür und baten um Almosen. Meistens wurden belegte Brote gegeben, aber die Leute brauchten Geld (kann ich heute verstehen). Oft wurden die Brotschnitten später auf der Straße gefunden. Ab 1933 gab es so etwas nicht mehr, jedenfalls kann ich mich nicht mehr daran erinnern.
Veranstaltungen gab es wie immer im Zirkus Hagenbeck oder Krone. Sie kamen mit Zelte, und wenn ich mich richtig erinnere wurden sie auf den PSV Sportplatz (oder auf dem Anger?) aufgeschlagen. Das alte Zirkusgebäude (Circus Blume?) wurde in kalter Jahreszeit auch dazu benutzt. Es gab im selben Gebäude auch Sportsveranstaltungen, Freistilringkämpfe, Boxen, usw.
Es gab ein Slogan (Reklame) "Nur Deutschemarken-Ware kaufen". Butter aus Dänemark gab es nicht mehr. Meine Mutter sagte immer, das wir jetzt Margarine essen müssen, da der Butterpreis zu teuer wurde. Es wurde auch für ein Sonntagseintopfessen propagiert, das sollte Fleisch sparen helfen (Leider konnte ich keinen finden der mir das bestätigt) in späteren Jahren gab es dann eingekochtes Fleisch in Konservenbüchsen billiger als frisches Fleisch zu kaufen. Meine Eltern meinten hätte was zu tun mit der Lagerungszeit.
Von der Armee wurde am "Tag der Reichswehr" an verschiedenen Plätzen der Stadt ein Gulaschkanonenessen „ERBSEN mit SPECK“ für eine Mark pro Person verkauft. Im Sommer gab es Sonntagsmorgen oft Militär-Platzkonzerte auf den Kaiser Wilhelm-Platz.
Zur Weihnachtszeit war auf den Alten Markt immer Weihnachtsmarkt. Für mich gab es dann immer beim Pferdeschlächter (ich glaube Bollman oder Kamlah war der Name?) eine Wurst und 'ne Bolle (einen in Fett gebackenen Pferdehackfleischkloss) mit einer Schrippe.
Die Tischlerbrücke, so hieß glaube ich die Straße, war immer festlich geschmückt. Ich kann mich erinnern dass in vielen Schaufenstern Wildfleisch angeboten wurde. Da hingen z.B. Rehe, Hirsche, Wildschweine und Hasen vor den Auslagen. Es gab auch ein Spielzeugladen wo ich als Junge lange davor stehen konnte um den im Schaufenster fahrenden Märklineisenbahnen zu zusehen.
Die Allgemeine Rationierung begann mit dem Kriegsanfang. 1942 wurde ich zur Luftwaffe eingezogen und kam erst Oktober 1948 zurück nach Deutschland, in Magdeburg war ich aber nur 2 Wochen.
Vor 70 Jahre war ich Schuljunge auf diesen Schulhof!
Während meiner letzten Deutschlandreise im Frühjahr 2005 hatte ich viele einmalige Erlebnisse. Bis zu meiner Einberufung zum Wehrdienst Anfang der 40er Jahre wohnte ich in Magdeburg. Damals hatte ich Magdeburg verlassen und bin ich erst nach der Wende in der DDR im Jahre 1989 das erste mal wieder in meine Heimatstadt zurück gekommen, um die Grabstelle meiner Eltern auf dem Neustädter Friedhof zu besuchen. Nun wohne ich mit meiner Familie schon 50 Jahre im Ausland. Trotz unseres hohen Alters, meine Frau und ich sind beide schon über 80 Jahre alt, entschlossen wir uns noch einmal einen Urlaub in der alten Heimat zu verbringen.
Schon bei der Anfahrt nach Magdeburg auf der A14/E49 sind wir gleich hinter Calbe von der Autobahn abgebogen und auf Umwegen durch die Magdeburger Börde vorbei an Felder und Dörfer gefahren. Dabei kamen mir schon viele Erinnerungen aus der Heimatkunde aus meiner Schulzeit zurück. In Welsleben, einem kleinen Bördedorf im Landkreis Schönebeck haben wir ein gutes Mittagessen genossen.
In Magdeburg wurden wir von meinen Freunden Wieland und Hermann, zusammen mit Ihren Frauen, viel in der noch existierender alten sowie der wieder aufgebauten Stadt Magdeburg und ihrer Umgebung herum gefahren. Meine Freunde waren oft überrascht, wie ich mich nach all den 64 Jahren noch sehr gut auskannte. Auf einer dieser Fahrten kamen wir auch nach Magdeburg Süd-Ost und ich fand die Buhne, wo damals die Badeanstalt von meinem Onkel Otto Wade vor Anker lag.
An einem frühen sonnigen Morgen entschloss ich mich einmal selbst einen großen Spaziergang in meiner alten Umgebung, der Neuen Neustadt zu machen. Von der Eisenbahnüberführung in der Bankschen Siedlung überblickte ich einen Teil des Bw Rothensee, wo mein Vater als Lokführer beschäftigt war und hatte auch den alte Schwimmclub „Hellas“ wieder gefunden. Entlang der Rothenseer Straße, am Polderteich vorbei, führte mich mein Weg durch die Schrebergartenkolonien zur Schrotewuhne. Auf der Schrotebrücke an der Kastanienstraße gingen meine Gedanken zurück als wir Kinder hier im Winter unsere Rodelbahnen hatten und ich auf der gefrorene Schrote meine ersten Schlittschuhe ausprobierte.
Auf der anderen Seite der Straße war der Vogelgesang-Park, den ich auch in meinem Spaziergang mit einschloss. Ich konnte mich so ungefähr noch an eine Dahlienausstellung Ende der 20er oder Anfang der 30er Jahre erinnern. Der Park war auch Sonntags ein beliebter Ausflugsort mit einem großen Gartenlokal. In den Sommermonaten fanden hier auch öfters Platzkonzerte statt.
Weiter ging ich nun zur Nachtweide, wo zwischen der Heinrichstraße und der Kastanienstraße meine Eltern bis zum großen Fliegerangriff 1945 in einem großen Wohnkomplex wohnten. Mein Vater sandte mir seinerzeit ein Bild von diesem total ausgebrannten Wohnhaus. Zu meinem großen Erstaunen stellte ich fest, dass diese Häuser wieder genau so wie zu meiner Zeit renoviert wurden (Nachtweide 61 a und b). Es war schon ein komisches Gefühl, wieder vor so einer Haustür zu stehen.
In Gedanken versunken lief ich nun meinem alten Schulweg nach. Erst kam die Volksschule. Dabei musste ich gleich an meinem Lehrer, Herrn Oscar Diesing, verbunden mit dem Schullandheim in Magdeburgerforth denken. Auf meine Nachfrage nach der "Burkhardt-Mittelschule" wurde mir gesagt “Die gibt es nicht mehr“. Enttäuscht lief ich nun weiter. Als ich zur Ecke Wasserkunststraße/Mittagstraße und Nachtweide kam, standen dort noch fast alle alten Häuser, aber eines fiel mir gleich auf, dass große Schulhaus der damaligen Pestalozzischule war nicht mehr da. Stattdessen war dort ein Lattenzaun. Getrieben von einer gewissen Unruhe näherte ich mich dem Zaun und fand eine Öffnung zum durchschauen und was ich da sah entsprach allen meinen Vorstellungen. Da stand es noch, dass alte Schulgebäude im Hintergrund. Trotz eines Schildes „Betreten verboten“ oder „Privat“, ich weiß nicht mehr genau was darauf stand, folgte ich meinen Instinkt und ich stand wie damals vor 70 Jahren wieder auf diesen meinem Schulhof, nur dieses mal als ein alter Mann, der hiermit seine Gefühle gar nicht beschreiben kann.
Ich erinnere mich nur, dass es mir eiskalt den Rücken runter lief und ich mich schweißgebadet mit einer Gänsehaut überzogen der Schultür näherte. Dort stand ein Polizist der mich nach meinem wohin und woher fragte. Als ich ihm sagte, dass ich hier vor 70 Jahren zur Schule ging, erlaubte er mir alles anzusehen und zu fotografieren. Jetzt beherbergt das alte Mittelschulgebäude eine Polizeischule. Nun hatte ich mich etwas gefasst und ging um das Gebäude herum. Der Rasen, wo wir immer Völkerball spielten, die sandige Sprunggrube sowie die 100 Meter Laufbahn waren kniehoch mit Gras und Unkraut überwachsen. Die Turnhalle war auch noch hinter einigen Büschen, wie ein Dornröschen Schloss, versteckt zu sehen. Die großen Fenster von der Aula brachten Erinnerungen zurück (Chorgesang, Elternabende und vieles andere). Meine Gedanken gingen auch an meinem Klassenlehrer Herrn Norten, unseren Englischlehrer Mister Guderly (Spitznamen Toto) und den Französischlehrer Monsieur Burgward (?) zurück. Seit 1943 (Kriegsgefangenschaft) und bis zum heutigen Tag gebrauche ich täglich diese Sprachkenntnisse.
Auch für meine Frau gab es auf dieser Reise eine besonders große Überraschung. Zwei ihrer Cousinen väterlicherseits, hatten meiner Frau zu Ehren alle Cousins und Cousinen nach Haupeltshofen bei Krumbach in Schwaben eingeladen.
Dazu muss ich hier vermerken, dass es gar nicht so einfach war so etwa zu organisieren. Die Familien wurden nach dem Krieg alle von Ihrer Heimat im Sudetenland ausgewiesen, beziehungsweise vertrieben und wohnen nun über ganz Deutschland und Österreich verstreut. Es war ein wunderbarer, sonniger Tag am 29.5.2005. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es um die 20 Personen die zusammen kamen, da gab es natürlich viel zu erzählen und zu lachen.
Meine Frau war die Älteste in diesem Kreise und hatte unter den Umständen entsprechend und über die Jahre hinaus fast alle Kontakte mit den Vettern und Basen verloren. Als man sich gegenseitig vorstellte war verständlicher weise oft die Frage, wer war dein Vater oder deine Mutter (väterlicherseits waren es 7 Geschwister). Auch fehlte es nicht am guten Essen und Getränken wobei die guten Torten und verschiedenen Kuchen ganz toll waren.
Nun sind wir wieder in unserer Wahlheimat den USA zurückgekehrt und alles war wie in einem Märchen…